Gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen
Klimaschutz und Klimaanpassung sind die Herausforderungen unserer Zeit, daran besteht kein Zweifel. Nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine sind Themen wie Ressourcenknappheit und Energieeffi zienz in der Gesellschaft sehr präsent. Zwangsläufig entsteht hiermit ein besonderes Spannungsfeld in der Nachhaltigkeitstransformation – zwischen dem Willen nach Veränderung und dem Unveränderlichen. Dies betrifft zum einen unser Verhalten und unsere Gewohnheiten, aber auch die Städte und Gebäude, in denen wir leben. Städte nach dem Vorbild der Autostadt, die längst mit eben diesen Autos überfordert sind. Gebäude geheizt mit fossilen Energieträgern, in denen wir mittlerweile auf fast 50 m² pro Person leben. Die notwendigen Anstrengungen für einen Wandel treffen uns alle – jeden in seinem individuellen Verhalten, die Gesellschaft und besonders die Wissenschaft und Politik.
Solar Decathlon 2021/22
Mit Blick auf diese Herausforderungen führte die Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Bergischen Universität Wuppertal im Jahr 2022 ein außergewöhnliches Projekt durch, den Solar Decathlon Europe 2021/22 (SDE 21/22). Bei diesem internationalen, studentischen Wettbewerb zu nachhaltigem Bauen und Leben in der Stadt wurde nicht nur entworfen, sondern wirklich gebaut: Keine Modelle, sondern 16 voll funktionierende Gebäude, die auf unterschiedlichen Ebenen demonstrierten, wie wir unsere Städte schon heute auf dem Weg zur Klimaneutralität transformieren können. Der Gebäudebestand im städtischen Kontext bildete als drängende Zukunftsaufgabe den baulichen Rahmen, die Frage, wie wir in Zukunft in unseren Städten leben wollen und können den gesellschaftskritischen Ausgangspunkt.
Living Lab NRW
Das Living Lab NRW bietet nun als Nachfolgeprojekt des SDE 21/22 die einzigartige Möglichkeit, eine Plattform für Forschung und Bildung zum Thema klimaneutrales und nachhaltiges Bauen in der Stadt aufzubauen und zu betreiben. Das Living Lab NRW schafft einen praxisorientierten Lernort für Schüler*innen, Auszubildende und Studierende aus Wuppertal und ganz NRW. Doktoranden und Studierende können über einen längeren Zeitraum unter Reallaborbedingungen Messungen und Analysen an den Demonstratoren durchzuführen. Eine temporäre forschungsbezogene Nutzung der Demonstratoren zu Wohnzwecken ermöglicht bewohnte und nicht bewohnte Szenarien. Die Forschungsthemen sind vielfältig und liefern daher einen umfassenden Blickwinkel auf das klimagerechte Bauen. Darüber hinaus ist das Living Lab NRW ein Ort, wo die Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit anschaulich vermittelt und in den gesellschaftlichen Diskurs eingebettet werden.
Stadt Weiterbauen
Stadt weiterbauen bedeutet Baulückenschluss, horizontale bzw. vertikale Erweiterung samt der Sanierung des Bestandes. Die Schließung von Baulücken und die Erweiterungen sind gute Möglichkeiten, die städtische Dichte zu erhöhen, neuen Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig können innovative architektonische und energetische Lösungen zur urbanen Energiewende beitragen. Das Projekt Azalea verfolgt eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltige Lösung für die verschiedenen Herausforderungen des im Osten von Valencia liegenden Stadtviertels El Cabanyal. Um Leerstand entgegenzuwirken wurde eine standardisierte und skalierbare Wohnungsbaulösung in modularer Holzbauweise, die an alle Grundstücke des Viertels angepasst werden kann, entwickelt.
Zukunftsfähigkeit
Zukunft in der Architektur bedeutet vor allem eins: Auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu reagieren. Das geht nur in Einklang mit guter Gestaltung und innovativen, technischen Lösungen. Team LOCAL+ entwickelte ein Gebäude in Modulbauweise gepaart mit einem hohen Grad an Vorfertigung, das einen schnellen Baufortschritt auf der Baustelle erlaubte. Durch eine geschickte Kombination verschiedener Konzepte zur Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Energie, unterstützt durch eine intelligente Gebäudeautomation können zwei Drittel des Energiebedarfs des Gebäudes gedeckt werden. Die Fassade zeigt eine gelungene Umsetzung von farblich abgestimmten Solarmodulen und einer üppigen Fassadenbegrünung. Beides trägt zur Klimaneutralität bei.
Kreislauffähigkeit
Ressourcenschonung und das Planen und Bauen in Stoffkreisläufen sind wichtige Faktoren des nachhaltigen Bauens. Dazu gehören sowohl die Auswahl kreislauffähiger Materialien als auch die Trennbarkeit der Konstruktionen, um optimalerweise eine Wiederverwendung oder das Recyceln nach der Nutzungsphase zu gewährleisten. Team MIMO hat bewusst darauf geachtet, die Konstruktionen reversibel zu fügen, so wurden Materialien geschichtet, eingehängt, geklemmt, geklippt oder geschraubt. Beispielhaft kann man das in der Dachkonstruktion sehen. Hier sind Holzbalken und Metallprofi le sichtbar mit Schraub- und Steckverbindungen konstruiert. Diese kommen ohne Klebstoff aus und können im Falle eines Rückbaus ohne großen Aufwand wieder als Bauteil in den Materialkreislauf zugeführt werden.
Funktionalität
Qualitätsvolle Architektur zeichnet sich durch Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, soziale Mischung und gute Gestaltung aus. Die Reduzierung der individuellen Wohnfläche, die Flexibilisierung von Grundrissen und neue Wohnformen sind Ansätze, um der Energie- und Ressourcenwende zu aktiv begegnen. Team SUM hat mit seinem Beitrag gezeigt, wie Zeilenbau im Bestand zukunftsfähig gemacht werden kann, nämlich durch die Anpassung der Grundrisse an eine modernere Lebensweise. Dazu gehört die Öffnung der Erdgeschossgrundrisse für neue öffentliche Funktionen und somit die Einbeziehung der Nachbarschaft im Sinne der Sharing Economy und flexible Grundrisse, die durch verschiebbare und klappbare Möbel sich an den Tagesablauf ihrer Bewohner anpassen.
Das Living Lab NRW bietet als Nachfolgeprojekt des Wettbewerbs Solar Decathlon Europe 21/22 die einzigartige Möglichkeit, eine Plattform für Forschung und Bildung zum Thema klimaneutrales und nachhaltiges Bauen aufzubauen und zu betreiben. Es versteht sich als einen praxisorientierten Lernort für Studierende aus Wuppertal und ganz NRW, wo unter Reallaborbedingungen Forschungen, Messungen und Analysen durchgeführt werden können. Eine temporäre Nutzung zu Wohnzwecken ermöglicht bewohnte und nicht bewohnte Szenarien.
Die Forschungsthemen sind vielfältig und liefern daher einen umfassenden Blickwinkel auf das klimagerechte Bauen, so zum Beispiel bei den unterschiedlichen Ebenen der Nachhaltigkeit, dem Denken in Stoffkreisläufen, aber auch wichtigen Themen wie der notwendigen Reduzierung des persönlichen Wohnflächenanspruchs. Darüber hinaus ist das Living Lab NRW ein Ort, wo die Ergebnisse der Öffentlichkeit anschaulich vermittelt und in den gesellschaftlichen Diskurs eingebettet werden. Hierbei geht es um nicht weniger als um die Zukunftsfähigkeit von Architektur und damit unserer Gesellschaft.
Die Jury lobt dieses in NRW beispiellose Forschungsprojekt, welches den Studierenden durch die Realbedingungen neue Möglichkeiten des Lernens und Forschens ermöglicht und einen Qualitätssprung in der Architekturausbildung darstellt. Für die Teilnehmenden ist es ein erheblicher Unterschied, sich nur planerisch abstrakt mit einer Aufgabenstellung zu beschäftigen oder diese am realen Objekt zu verifizieren. Das Living Lab NRW wird daher mit einer Anerkennung gewürdigt.
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Der Architekturführer Wuppertal
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