Oberbarmen Quartiere 2022 raumwerk.architekten / Köln Klußmann und Hübert PartGmbB

BOB CAMPUS Wuppertal Oberbarmen

In einer ehemaligen Textilfabrik wurde von der Montag Stiftung Urbane Räume in Kooperation mit der Stadt Wuppertal der BOB CAMPUS als Impulsprojekt für ein benachteiligtes Quartier entwickelt. Das Areal stellte hohe Anforderungen an ein nachhaltiges Flächenrecycling. Dies betraf die Topografie mit 20 Metern Höhenunterschied, den Fabrikbau aus den 1970er Jahren mit großer Raumtiefe und schlechten Belichtungsmöglichkeiten, die Belastung von Teilen des Geländes bzw. der Bausubstanz mit Altlasten, dem fortschreitenden Verfall der Gründerzeithäuser sowie der erforderlichen energetischen Ertüchtigung aller Bauteile aus den verschiedenen Zeitepochen. Das Entwurfskonzept der raumwerk.architekten setzt in allen Gebäudeteilen auf einen ressourcenschonenden Umgang mit den Bestandsgebäuden und einen gleichberechtigten ästhetischen Dialog zwischen Alt und Neu. Im historischen Wohn- und Gewerbehof entstehen auf diese Weise durch eine Kernsanierung 11 Wohnungen mit Gemeinschaftsraum sowie 6 Gewerbeeinheiten. Die viergeschossige Fabrikhalle aus den 1970er Jahren wird den Bedarfen des Stadtteils folgend zu einem hybriden Gebäude mit Schulwerkstätten, KITA, Bürolofts sowie einer Nachbarschaftsetage mit Stadtteilbücherei und Quartiersküche umgebaut.

Als städtebauliches Ensemble wird die Fabrik durch neue Durchwegungen und Treppenverbindungen zum Stadtteil sowie gegenüber dem neu entstehenden Park großflächig geöffnet. Die Aufwertung der arrondierenden Brachflächen zu qualitätvollen Grünzonen bettet den Campus vielfältig in die Nachbarschaft und die bewegte Topografie ein, erzielt neue Ein- und Durchblicke und eine besondere Aufenthaltsqualität im Übergang zu den Gebäuden. Ergänzend wird eine weit sichtbare und barrierefreie Haupterschließung als gelb leuchtender Anbau an die Fabrikhalle zum Merkzeichen und Adresse für die zukünftige Entwicklung. Das Bestandsgebäude der Fabrik besteht aus einer kompakten Stahlbetonstruktur mit großen Gebäudetiefen. Die unteren beiden Geschosse der Ostseite wurden in den Hang gebaut. Hierzu wurde jede mögliche Fassadenöffnung für den zukünftigen Lichteintrag freigelegt. Mit dem Umbau erhält sie eine kostengünstige und transluzente Fassadenhülle, um die großformatigen Ebenen gut zu belichten. Diese wird nicht nur zur energetischen Sanierung genutzt, sondern teilweise als Energiefassade eingesetzt, um auf innovative Weise den Wärmeeintrag im Gebäude zu verteilen. Der gesamte Umbau wird kostengünstig (Gesamtbaukosten Fabrik 1.365 €/m² KG 300+400 brutto) auf möglichst robuste und flexible Raumangebote ausgerichtet. Als durchgängiges Material werden Details aus Furnierschichtholz von konstruktiven Fassadenelementen bis hin zu Möbeleinbauten eingefügt.

In einem kooperativen Planungsverfahren wurden in der frühen Planungsphase mit den Nutzer:innen unter anderem Mehrfachnutzungen und das mögliche Teilen von Räumen mit innovativen Beteiligungsformaten und gemeinsamer Arbeit am Modell entwickelt. Die Ausstattungen und Zugänglichkeiten einiger Räume tragen diesen gemeinsamen Nutzungsideen Rechnung und bieten trotz engen Budgetvorgaben umfangreiche Möglichkeiten. Die Versorgung des Fabrikgebäudes erfolgt über Fernwärme sowie eine Photovoltaikanlage auf dem großflächigen Flachdach ergänzend zur Dachbegrünung. Um auch die Folgekosten gering zu halten, wird die notwendige Haustechnik auf ein Mindestmaß reduziert. Für den Erhalt von bestehenden Bauteilen werden individuelle statische und brandschutztechnische Beurteilungen erarbeitet. Die sehr differenzierten Detaillösungen gehen auf die verschiedenen Bestandssituationen ein und verwenden, wo es möglich ist, Elemente und Oberflächen der ehemaligen Fabrik weiter. In einem poetischen Miteinander verweben sich so Geschichte und Zukunft der Fabrik.

Auch die anderen Gebäude um den Krühbuschhof werden trotz ihrer Unterschiedlichkeit mit dem gleichen gestalterischen Ansatz bearbeitet. So bleiben alte Backstein- und Putzfassaden mit allen Spuren sichtbar, obwohl neu eingefügte Materialien sehr sorgfältig zum Gesamtkonzept passend gewählt werden. In den Wohnhäusern können trotz Erhalt von Treppen und Bodenbelägen überwiegend barrierefreie und geförderte Wohnungen erstellt werden. In den Shedhallen bleibt das ursprüngliche Dachtragwerk als filigrane Stahlkonstruktion sichtbar erhalten, wird aber ebenso wie die Backsteinaußenwände energetisch ertüchtigt. Alle Wohnungen und Gewerbeeinheiten erhalten neue Bezüge in den Außenraum. Die Geschichte der Textilfabrik wird hier mit dem restaurierten Schornstein als Merkpunkt für die Bewohner:innen des Krühbuschhofes zum identitätsstiftenden Zeichen.

Preisträger Architekturpreis Wuppertal 2023

Hervorzuheben ist die frühe Einbindung der Architekten in einen kooperativen Beteiligungsprozess, der die Nachbarschaft durch innovative Beteiligungsformate einbezog.
Die Jury lobt den sensiblen Umgang mit dem Bestand durch sparsames, intelligentes Hinzufügen. Vermeintlich Obsoletes wurde bewahrt, die Fassaden behielten ihre Gebrauchsspuren, und Neues wurde sparsam und angemessen ergänzt.

Preisträger Architekturpreis Nordrheinwestfalen 2024
Nominiert für Mies van der Rohe Award 2024

BOB CAMPUS – Transformation einer stillgelegten Textilfabrik
Johanna M. Debik / Robert Ambrée 
Montag Stiftung Urbane Räume (Hg.)
ISBN 978-3-98612-035-1

© Fotos:

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