Erläuterung der Architekten:
Der Wuppertaler Gasometer ist ein beeindruckendes Industrierelikt vergangener Zeiten. Der Stahlkoloss prägte das Stadtbild fast fünf Jahrzehnte und wurde zum Wahrzeichen Wuppertal Heckinghausens. Nach seiner Stilllegung 1997 gab es Pläne ihn abzureißen und 1998 wurde er schließlich in die Denkmalliste eingetragen. So lag er lange brach und die Zeit nagte an seiner Bausubstanz. Heute ist die Landmarke revitalisiert und einer neuen Nutzung zugeführt. Unter seiner stählernen Hülle steht nun ein fünfstöckiges, freistehendes Gebäude, das neue Räume für Gastronomie und Freizeit schafft.
Der architektonische Leitgedanke im Rahmen der geplanten Revitalisierung war es, ein Gebäude innerhalb der denkmalgeschützten Hülle zu entwickeln, das zum Einen in respektvollem Abstand zum Bestand steht und zum Anderen bewusst in anderer Haptik und Optik einen Kontrast zum Stahlbau darstellt. Ein Baukörper in anderer Konstruktion und Materialität, als „Haus im Haus“, der sich massiv innerhalb der filigran konstruierten Bestandshülle aus Stahl erhebt und Alt und Neu klar unterscheiden lässt und die dort herrschende Industriegeschichte spürbar macht.
Zielsetzung war es, die historische denkmalgeschützte Bausubstanz mit einem Neubau im Inneren in Einklang zu bringen. Dieser umfasst mit drei Metern Abstand zur Bestandskesselhülle ein Dreiviertel der Fläche des Zwanzigecks des Gaskessels und schmiegt sich an das erhaltene Viertel der Druckscheibe an. Dieses wurde angehoben, so dass sie heute mit dem 1. Obergeschoss des inneren Neubaus eine Ebene bildet. Die erzeugten Flächen unter und auf der Druckscheibe werden zur Ausstellungsfläche und dienen zur Erläuterung der Funktionsweise des historischen Denkmals.
Der Neubau im Kessel rückt respektvoll von der inneren Hülle ab, durchdringt diese jedoch stellenweise und verbindet sich im Dachbereich damit. Beton und Glaselemente stehen konträr zum Material Stahl. Sichtverbindungen zum Bestand durch den bewussten Einsatz von großformatigen Glasflächen schaffen durch die Verbindungen nach außen eine in sich stimmige Einheit. 34 Öffnungen (2,85 x 2,40 Meter groß) in der Gaskesselhaut bringen Tageslicht ins Innere und rahmen die Ausblicke auf die „Außenwelt“.
Die Höhe des fünfstöckigen Neubaus im Inneren erlaubt das Erleben der Höhe des diesen überragenden Baubestands - einer sich über dem Neubau erhebenden Industriekathedrale. Das Dach des Neubaus bietet als 5. Geschoss einen spektakulären Aufenthalt und Kathedralen Aufblick in die verbliebene Kesselhülle, dessen Dach rund 40 Meter weiter höher den Raum abschließt. Den Übergang vom Neubau in den Außenraum bilden drei Fertigteil-Brücken, die den „Brückenschlag“ zum Außenraum ermöglichen. Hier gelangt man in einen 70 Meter hohen Treppenturm mit Aufzug, der auf das Dach des Gasometers führt und auf einem Skywalk als 360-Grad-Aussichtplattform Ausblicke in das Tal der Wupper eröffnet.
Eine vergessene und verkannte „Schönheit“ ist wieder Teil des urbanen Kontextes geworden. Ein brach liegendes Areal wurde reaktiviert und bietet allen Interessierten die Möglichkeit, das Potenzial dieses stadtbildprägenden Gebäudes zu erleben. Die einstige monofunktionale, städtische Versorgungseinrichtung hat sich nun geöffnet und bietet nach ihrer Umnutzung vielschichtige und langfristige, neue Nutzungskonzepte. Die Ansiedelung verschiedener Nutzungen in außergewöhnlicher, neuer Architektur innerhalb einer 60.000 Kubikmeter großen, denkmalgeschützten Hülle ist ein ungewöhnlicher und mutiger Schritt und eine bauliche Herausforderung. Die brach liegende Ressource – im Besonderen der faszinierende Raum innerhalb des Gasspeichers - wurde genutzt um Ihr nachhaltige Nutzungen zuzuführen. Seit Juni 2019 ist das neue Ensemble fertiggestellt. Im Rahmen der derzeit laufenden Quartiersentwicklung gibt die Revitalisierung des Gasometers und seines Areals dem gesamten Stadtteil und der Stadt neuen Aufschwung. Der Standort etabliert sich als Ausstellungs,- und Eventort und bietet im Rahmen der laufenden und zukünftig geplanten Ausstellungen Künstlern eine Plattform. Bereits jetzt lockt der Gasometer in Wuppertal Besucher aus ganz Deutschland in die Stadt.
© Fotos:
Der Architekturführer Wuppertal
wird gefördert von: